Antitotalitäres Denken und das Ende von der Ideologie der Einheit der Arbeiterbewegung

Zwei historische Momente der SDP

Die SDP beendete die Mythologie von der Einheit der Arbeiterbewegung. Und sie betonte die Bedeutung antitotalitären Denkens in der Moderne.

Totalitäres Denken hat in Deutschland zwei Diktaturen produziert. Beide wollten die Moderne nicht. Auch und vor allem geistig haben sie Deutschland zurück geworfen. Keine Freiheit, keine Entwicklung, erst recht keine Emanzipation, keine Individualität, keine persönliche und selbstbestimmte Identitäten, die unsere Moderne so faszinierend lebendig machen, und ihre Entwicklung offen gestalten. Beide Diktaturen fußten auf ihrem jeweiligen, geschlossenen Weltbild, in dem die Menschen nach Äußerlichkeiten bewertet und behandelt werden, ihrer Rassen und Klassenzugehörigkeit. Beides waren Kategorien, die ursprünglich aus Theorien entwickelt und zur Grundlage staatlichen Selbstverständnisses und Handelns gemacht wurden. Ein Moment der Geistesgeschichte erstarrte und wurde zur allgemeinen, alles überwölbenden Wahrheit erklärt. Geistiges Leben wurde stranguliert, die innere Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung wurden entwürdigt. Die beiden totalitären Staaten Deutschlands leiteten ihre Ziele aus ihrer Ideologie ab. Der eine wollte Deutschland zum Weltherrscher machen, der andere den Kommunismus realisieren. Aus den beiden Ideologien folgten Unterdrückungsansprüche, die ihre beiden Staaten, der NS-Staat und die DDR in die Tat umsetzten. Unterdrückungsanspruch war totalitäres Denken, Unrecht und Menschenrechtsverletzungen totalitäres Handeln. Beides waren die zentralen Bedrohungen der Demokratie in Deutschland im letzten Jahrhundert. Die Gründung der SDP erfolgte deshalb „in tiefer Ablehnung jeglichen totalitären Denkens und Handelns.“. Dieser Anspruch hat an Aktualität nichts verloren, weil noch immer Menschen mehr nach Herkunft und sozialem Stand beurteilt werden, als nach ihrer Persönlichkeit. Totalitäres Denken würde auch heute genügend Nahrung und Anhänger finden, weshalb ihnen im Moment ihres Entstehens entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden muß. Statt dessen gehört der Freiheit die Bühne. Sie ist die Grundlage für Persönlichkeit, Kreativität und Fortschritt.

Die Gründer der SDP haben sich die Freiheit genommen eine sozialdemokratische Partei zu gründen, ohne dabei Rücksicht auf das Selbstverständnis der SED als einer Partei, die sich fest in der Arbeiterbewegung verankert sah, zu nehmen. Die SDP ließ die SED wie sie war. Arbeiterbewegung war für die SDP kein Thema. Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit dagegen schon. Die SDP entschlackte die Sozialdemokratie von ihrer veralteten Geschichtsmythologie. Das war die Grundlage ihres Erfolges – der Überwindung der SED-Diktatur, Demokratisierung der DDR und Ermöglichung der Deutschen Einheit.

Dieser Erfolg sprach für sich.

Doch Ideologien leben länger. Auch in der neugegründeten Sozialdemokratie, insbesondere nach ihrer Vereinigung mit der West-SPD war die alte Ideologie von der Einheit der Arbeiterklasse noch nicht ad acta gelegt. Doch sie ist altes Denken. Dort wo sie Überhand gewinnt, ist die unmittelbare Schwächung der Sozialdemokratie die Folge.

Die Sozialdemokratie bezieht ihre Stärke alleine aus ihren drei Grundwerten: Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Die Einheit der Arbeiterbewegung ist eine ideologische Schimäre. Freiheit schafft Entwicklung, Solidarität schafft Stärke und Gerechtigkeit schafft Sicherheit. Wer diesen Werten Vertrauen schenken kann, wird daraus politische Angebote entwickeln können, die keiner zusätzlichen Geschichtsideologie bedürfen.

Wer ihnen aber nicht vertraut, dem wird auch die Einheit der Arbeiterbewegung keine Hilfe sein.

 

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