Bieberer Fastnacht

Als Preuße ist man Fastnacht nicht gewohnt. Irgendwo habe ich gelesen, dass der preußische König dereinst dieses närrische Treiben in seinem Herrschaftsgebiet verboten hätte. Seitdem konnte es sich hier auch nie wieder richtig einbürgern.

Richtige Fastnacht kann man nicht in Preußen erleben. Da muss man zum Beispiel ins hessische Bieber fahren. Und selbst hier bedarf es glücklicher Umstände die Erfahrung der Sitzung eines Elferrates zu machen. Ich habe das am letzten Wochenende nicht bereut, obwohl es einiger Überwindung von meiner Seite bedurfte. Denn wie gesagt, als Preuße sind mir solche Vergnügungen eher fremd.


Neben all dem Helau, und den anderen Riten, merkte ich das erste Mal auf, als PEGIDA auf die Schippe genommen wurden. Hier wurde kein westdeutsches Ressentiment artikuliert, das war echtes Unverständnis. Im Spot war Ablehnung zu spüren, und die Erleichterung darüber, dass dergleichen in ihren Breiten  keine Chance zu haben scheint. Hier wird immerhin der wichtigste Flughafen  betrieben, hier herrscht die größte Migrationsdichte der ganzen Bundesrepublik, hier boomt auch die Wirtschaft, und pulsiert das Leben. Als Ostdeutscher fühlte Ich mich hier nicht fehl am Platz, denn diese Erleichterung, die konnte ich nachvollziehen.


Natürlich wurde TTIP auf die Schippe genommen, was großen Beifall fand. Wie die Groko dieses Abkommen durchsetzen will, ist mir angesichts der Stimmungslage noch nicht wirklich klar. Man machte sich auch über die Fluglärmgegner lustig, die den Fluglärm in typisch mediengesellschaftlicher Übertreibung Lärmterror getauft hatten. „Wer Terror kennen lernen will, der muß nach Syrien fahren.“ sang der Bänkelsänger. 

Neben einigen, z.T. gelungenen, manchmal auch mittelmäßigen Einlagen, wie das immer so bei solchen „Sitzungen“ ist, gab es auch herausragendes, wunderbares Komödiantentum.


Als alles vorbei war, lernte ich einen jungen Mann kennen. Auch er einer der Aktiven dieser Elferratssitzung. Wir hatten voneinander gehört. Ich hatte das Vergnügen ihn jetzt weit nach Mitternacht als echten Sozialdemokraten kennen lernen zu dürfen. Der Mann konnte über die philosophischen Hintergründe der sozialdemokratischen Programmatik parlieren, wie ich das schon lange nicht mehr erlebt hatte. Da wurden Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit durchdekliniert. Da war auch klar, dass die kommunistische Ideologie per du ist. Und worin die Falle ideologischen Denkens überhaupt besteht.


Ob es wohl ein Zufall ist, dass man einen solchen Menschen erst auf einer Elferratssitzung kennen lernen kann?

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