Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Politik

Mit dem Vollzug der Deutschen Einheit änderten sich die Konstellationen und ein neues Paradigma begann die Politik zu beherrschen.


Bis dahin war es der Gegensatz zwischen Volk und Herrschern, zwischen System und Bevölkerung, zwischen den Kommunisten und Andersdenkenden, der in der DDR die politischen Verhältnisse bestimmten. Die einen waren auf Sicherung ihrer Macht bedacht, die anderen träumten von besseren Verhältnissen, arbeiteten auf die Überwindung der Diktatur hin und erreichten sie schließlich. Damit war das alte Paradigma der DDR erledigt.


Dieses geschah 1990. Nachdem die Macht der SED gebrochen, ihre Diktatur und mit ihr die Teilung Deutschlands überwunden, war es nun die Angleichung der Lebensverhältnisse von Ost- und West, die die Gemüter und die Politik beherrschte.

Der Unterschiedlichkeit von Ost und West wurde zum neuen Paradigma der bundesdeutschen Politik, und ist es bis heute geblieben. Es mag nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie in den 90-ger Jahren. Aber es hat auch Spuren und Denkstrukturen geschaffen, die sich in neuen Identitäten Ausdruck gegeben haben. Wer hat schon vor 1990 von sich gesagt, er sei Ostdeutscher ? Zumindest nicht die Ostdeutschen. Sie wiederum haben die Bundesdeutschen westdeutsch genannt, während die sich selber als Deutsche verstanden hatten.


Die Ostdeutschen brauchten in der langen Phase die dem Vollzug der staatlichen Einheit Deutschlands folgte, in der sich die Rechtsangleichung, die Schaffung gemeinsamer sozialer Standards vollzog, einen hartnäckigen Interessenvertreter. Es war die ehemalige SED, die in die Rolle der ostdeutschen Regionalpartei schlüpfte, während die eigentliche Arbeit von den großen Volksparteien CDU und SPD gemacht wurde.


Man mag meinen, Undank sei der Welt Lohn. Aber die Ostdeutschen waren nicht dumm, als sie der heutigen Linkspartei ihre Stimmen gaben. Sie waren sich der Hebelwirkung auf die bundesdeutsche Politik einer Stärkung der Linkspartei bewußt. Insoweit ist die Rechnung der Ostdeutschen aufgegangen. Insoweit ist auch die Rechnung der ehemaligen SED aufgegangen.


Heute hat die Linke ein neues Spielfeld gefunden. Sie präsentiert sich als antikapitalistische und Friedenspartei. Und knüpft damit an ihre sozialistischen DDR-Traditionen an. Doch gerade damit macht sie sich angreifbar.


Und auch ihre Funktion als ostdeutsche Regionalpartei wird in dem Maße erlöschen, wie neue Paradigmen zum Vorschein kommen, die an die Stelle des alten vom Zusammenwachsen treten. Als ostdeutsche Regionalpartei ist und war wohl auch die Linkspartei nicht zu besiegen. Heute geht es gar nicht mehr um Ostdeutschland und damit auch nicht mehr um die Linkspartei. Sie ist auch nicht mehr wichtig. Zwar ist sie ein Machtfaktor. Doch ihr Nährboden schwindet.


Neue Aufgaben stehen an; Deutschland als Einwanderungsland, Modernisierung seiner strukturschwachen Regionen, Sicherung der informationellen Selbstbestimmung,  Zurückweisen des neuen russischen Vormachtstrebens, Stabilisierung der EU als Friedensanker, Bewältigung der €-Probleme, die weitere Individualisierung der Gesellschaft, und die Bekräftigung der Freiheit als unverzichtbarem Grundwert  und Triebfeder jedweder gesellschaftlichen Entwicklung  ….. 

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