Die DDR war falsch

zu den Menschen. Sie hat sie betrogen um ihre Würde, ihre Identität und deshalb auch um ihre Persönlichkeit. 

 

Die DDR zwang ihren Bürgern regelmäßig Bekenntnisse ab; zum Sozialismus, zur marxistisch-leninistischen Weltanschauung, zur Sowjetunion, zum Weltfrieden. Darüber hinaus zwang sie sie permanent zu Bekenntnishandlungen; die Teilnahme an den Kampfdemonstrationen, der Eintritt in die Pioniere, die Teilnahme an der Jugendweihe, die Teilnahme an den sozialistischen Wahlen, für die jungen Männer die Verpflichtung zum dreijährigen Grundwehrdienst. Zwar waren dies formal alles freiwillige Handlungen, doch waren sie sanktioniert. Wer nicht folgte, zahlte seinen Preis dafür; in der Schule, am Arbeitsplatz: Bildungswege und berufliche Karrieren waren davon abhängig, existentielle Grundvoraussetzungen. Wer seine Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe bewahren wollte, mußte sich dreimal überlegen, ob er sich den abverlangten Bekenntnishandlungen widersetzen wollte. 

 

Diese Bekenntnishandlungen folgten den persönlichen Lebensabschnitten. Die Bekenntnisforderungen waren allgegenwärtig. Vieles wurde in der Schule eingeübt. Das Studium hatte seine eigenen Institutionen; die rote Woche, die militärischen Ausbildungsabschnitte, die Arbeitseinsätze. Später folgten die Aufforderungen, den Kampfgruppen beizutreten, man wurde für die SED geworben, oder ging um dem auszuweichen in eine der Blockparteien. Manchmal sah man sich gezwungen aus der Kirche auszutreten. 

 

Es war ja ganz leicht. Man brauchte nur der Versuchung zu folgen, brauchte nur seinen Überzeugungen zu entsagen, und schon konnte man sich den staatlich verlangten Bekenntnissen beugen. 

 

So wurden die individuellen Persönlichkeiten  normiert und das individuelle Leben zum Anpassungsprodukt.  

 

Der Staat DDR war ein Bekenntnisstaat. Er war ein Rückfall ins Mittelalter, der die Menschen zwang, sich der Ideologie der SED zu unterwerfen. Man kann die DDR unter religiösen Gesichtspunkten betrachten, denn allzu groß sind die Parrallelen zwischen ideologischen und religiösen Glaubensbekenntnissen. 

 

Gemessen am Mittelalter war das Lebensniveau in der DDR hoch. Doch gemessen an der Tradition der Aufklärung, den Erfolgen der Demokratie in anderen Ländern, war die DDR ein finsteres, rückständiges, ja zerstörerisches Land. 

 

Manche glaubten, sie hätte sich nur mit ihr arrangiert. Doch wo ist da der Unterschied? Die DDR hat die Menschen zur Lüge erzogen. Die Lüge wurde ein Bestandteil des eigenen Lebens. Die Lüge war allgegenwärtig; in der Schule, in den Medien, in den Betrieben, in den Behörden. Man mußte lernen mit diesen Lügen zu leben. 

 

In der Verfassung der DDR war Meinungsfreiheit garantiert. Faktisch aber hat die SED diejenigen, die sich offen zu ihren eigenen und individuellen Meinungen und Überzeugungen bekannten, ausgegrenzt und vom gesellschaftlichen Leben fernzuhalten versucht. Das passierte auf differenzierte, und häufig versteckte Weise, war aber im Resultat immer das gleiche. Die SED hat ihre Bürger Gewissenskonflikten ausgesetzt. 

 

Viele Menschen haben in der DDR schon gesagt, das sei alles nicht wichtig und lohne nicht der Diskussion. Sie wüßten schon, was richtig und falsch sei. Ja, sie haben das gewußt. Doch jede Lüge die man mitspricht, hinterläßt ihre Spuren. Den aufrechten Gang lernt man nicht dadurch. Man lernt sich durchzumogeln, man diskreditiert seine eigenen Überzeugungen, man lernt sich unterzuordnen. 

 

Man kann diese Spuren nicht ungeschehen machen. Sie sind ein Teil unseres Lebens. Aber man kann sich ihrer bewußt werden, man kann sie für sich selbst offenlegen. Erst dadurch verlieren sie ihre schädigende Wirkung auf das eigene Leben heute. Man wird freier dadurch. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Horst Braun (Donnerstag, 17 März 2016 09:43)

    Lieber Stephan, alles ist so wie von dir hier gut beschrieben geschehen und ich habe das alles auch so erlebt und erfahren. Dafür habe ich die Zone 24H gehasst!
    Aber nicht nur die stattgefundene Indoktrinierung von frühester Kindheit, sondern auch die ständige Verdrehung der Worte und der Wahrheiten waren schlimm. Gut das dieser unsägliche Unrechtsstaat untergegangen ist. Nächste Woche habe ich auf Point Alpha die Gelegenheit, Frau Klaubert /Bildungsministerin der Ramelow-Regierung an diesen Unrechtsstaat zu erinnern. Das mache ich dann sehr gerne! H.Braun

  • #2

    Pedro Hertel (Donnerstag, 17 März 2016 22:38)

    Kleine Story zum Thema:
    Der staatlich verordnete Studienjahresbeauftragete forderte mich auf, zeitig am Wahltag zur Wahl zu gehen. Ein mutiger Professor der FSU Jena, dem ich das erzählte, sagte mir dazu: Herr Hertel, betrachten Sie das als Auszeichnung Ihrer Haltung, dass "man" Ihnen "zutraut", "zu spät" zur Wahl zu gehen. Danke, Professor Wechsung! Sie haben mir geholfen, aufrecht zu bleiben. Zur letzen Wahl bin ich auch gegangen und habe mit einem mitgebrachten Kugelschreiber (lässt sich nicht ausradieren) jeden Namen ordentlich durchgestrichen Die Farce: in der Kabine wurde nach jedem der wenigen Benutzer die Farbe des Stifts ausgetauscht, der besseren Idendifizierung wegen. Ich habe 1990 die Original-Wahl-Unterlagen geprüft. Es war an dem ...

  • #3

    Mischa Naue (Freitag, 18 März 2016)

    aus meinem Buch: <Gefangen mit Buddha> Meine Rebellion im Staasistaat.

    Leibesübungen
    Höher! Schneller! Weiter! Jugendspartakiade.
    Seit Tagen waren die Jugendlichen der Schulen im Ausnahmezustand. Frisuren wurden getrimmt. Lieder wurden einstudiert. Auf den Schulfluren wurde Weitsprung geübt. Die Besten der Besten sollten ermittelt werden.
    Schon der Gedanke verursachte mir Übelkeit. Die schreckliche Situation, sich messen zu müssen, zu brillieren vor anderen, Anerkennung zu erhoffen, stürzte mich in eine Sinnkrise. Hinzu kamen die Massenversammlungen. Appelle. Ansprachen. Die erzwungene, stumpf gedrillte, mit politischen Parolen gefütterte Masse, die sich brüllend, marschierend, schwitzend entlud, machte mich krank. Der Kampf für das sozialistische Vaterland, der Sieg über den Imperialismus, die tiefe Freundschaft mit dem Volk der großen Sowjetunion widerten mich an.
    In diesen Tagen hatte ich echtes Fieber. Kein Mensch konnte mich bewegen, dorthin zu gehen. Meistens schrieben mir meine Eltern eine Entschuldigung. Das hieß dann drei Tage Landurlaub bei Hedwig.
    Schon damals wusste ich, dass ich anders tickte als die anderen. Die anderen wussten das aber auch. Was sollte man nur mit meiner Unsportlichkeit, meiner Verweigerung anstellen?
    Da entdeckten sie, dass ich beim Schwimmen Talent hatte. Ja, ich schwamm gern. Im See. Schnell wie ein Fisch. Aber von Talent wollte ich nichts wissen.
    Der See wurde dann eine Schwimmhalle. Meine freie Zeit bestimmte ein Trainer. Auf. Ab. Ich schwamm unermüdlich die Bahnen. Leer, ohne Gedanken war mein Kopf, wenn ich eintauchte ins Wasser. Aber alles andere, was mit dem Schwimmen verbunden war, wurde zur Pein: Die Umkleideräume, das Geschrei unter der Dusche, die Leistungsziele des Trainers. So langsam begriff ich, dass man mich vorbereiten wollte. Worauf nur?
    Ich wurde delegiert. Die andere Schwimmhalle war dreimal so groß. Achthundert Meter Brustschwimmen. Achthundert Meter Delphinschwimmen. Achthundert Meter Rückenschwimmen. Ein paar Wochen ließ ich mir das alles gefallen. Das Anfeuern meines Trainers »Schneller! Schneller!«, konnte ich manchmal sogar ignorieren.