Erosion der EU schreitet voran

Es wird dereinst in den Geschichtsbüchern stehen, dass es Ländern wie Österreich gelungen ist, die EU zurück in die Kleinstaaterei zu führen. Dieses Land, das vor fast 100 Jahren noch eine Großmacht war, heute aber nur noch eine handvoll Millionen an Einwohnern zählt, mithin vielleicht 2 % der EU - Bevölkerung weist in aller Öffentlichkeit nach, dass man als Staat gegen EU-Recht verstoßen kann, ohne dass einem irgendwas passiert. 

 

Es ist Österreich gewesen, dass mit seinem Hilferuf nach Berlin im September letzten Jahres den damaligen Super-GAU der Kanzlerin ausgelöst hat, mit ihrem berühmten "Wir schaffen das!", in dessen Folge Millionen Flüchtlinge sich nach Deutschland eingeladen fühlten. Trotz dieser bemerkenswerten Kommunikationspanne, war entscheidend: Das überforderte Österreich hatte nach Hilfe gerufen und bekam sie.  

 

Gerade Österreich sollte also Solidarität mit Solidarität beantworten. Und die wichtigste Solidarität in einem Rechtsstaat bedeutet "Gleiches Recht für alle". Pillepalle scheint die österreichische Regierung zu denken.

 

Österreich hat trotz erwiesener deutscher Hilfeleistungen und Solidarität seine Grenzen dicht gemacht. Es hat sich sogar gemeinsam mit den Staaten der sogenannten Balkanroute auf der berüchtigten Wiener Konferenz für eine dauerhafte Abschottung gegen Flüchtlinge ausgesprochen. Abgesehen davon, dass es damit auch noch gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat, und die von der UN gleich mit, versucht es seine Bürger für dumm zu verkaufen, weil ja jeder weiß, große Menschenmassen lassen sich nicht aufhalten, und das akute Migrationsproblem der EU läßt sich erst recht so nicht lösen. 

 

 

Nun folgt der nächste Akt in diesem Trauerspiel. Prophylaktisch scheint Österreich den Brennerpaß, die wichtigste Grenze zwischen Mittel- und Südeuropa gegen Flüchtlinge abriegeln zu wollen. Der erste Kontrollpunkt ist bereits eingerichtet. Gemäß der Fußballerregel, rechts antäuschen, links schießen, hat es gestern noch eine Übereinkunft mit Italien geschlossen zur besseren Koordinierung und effektiverem Informationsaustausch, und heute den ersten Kontrollpunkt eingerichtet. 

 

Dieser Kontrollpunkt wird der Vorposten der Abriegelungspolitik Österreichs gegen den nun zu erwartenden Flüchtlingsstrom über die italienisch-österreichische Grenze nach Deutschland, was angesichts der Schließung der Balkanroute und dem türkisch - europäischen Deal nicht weniger als wahrscheinlich ist. Es heißt, auf dieser Route warten schon einige 100000 Menschen. In gewisser Weise ist für Österreich die Abschottung gegen Italien die notwendige Konsequenz aus der Abschottung der Balkanroute. Es ist die Logik einer falschen Logik.  

 

Leidtragender ist nicht nur Italien, das sowieso eine Hauptlast der verqueren europäischen Flüchtlingspolitik zu tragen hat, leidtragende sind nicht nur die Flüchtlinge, die nach Ausweichrouten Ausschau halten werden, Leidtragende sind wir alle, die wir einst der EU ein Zusammenwachsen, und das Durchsetzen gleicher Regeln für alle zugetraut hatten. Davon sind wir weit entfernt, immer weiter entfernt. 

 

Österreich verhält sich dabei nicht nur wie ein Elefant im Porzellanladen, es symbolisiert die neue Unübersichtlichkeit der EU, das sich in immer mehr Widersprüchen verfängt. Ihre Zahl ist inzwischen legendär. 

 

Offenbar ist das Vertrauen Österreichs in die EU unter den Nullpunkt gesunken. Das kann man sogar nachvollziehen. 

 

Wo aber sind die Kräfte, die der EU neuen Schwung geben? 

 

 

Europa ist nicht nur die Europäische Union. Die europäische Kulturgeschichte baut auf den Austausch auf. Europa hat immer profitiert, wenn es seine Grenzen öffnete und Austausch ermöglichte, das kann man gerade an den Alpen gut erkennen. Nicht zuletzt dafür steht der Brennerpass. Wem aber die Abschottung als Lösung erscheint, der betreibt tatsächlich die Auflösung unserer europäischen Strukturen. Und ein schwaches Éuropa, das müßte eigentlich auch den letzten Europäern klar sein, kann noch viel weniger gegen den Migrationsdruck ausrichten, als unsere heutige EU. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0