Gabriel versucht zurückzurudern

Ich glaube ihm nicht. Gabriel vergießt Krokodilstränen. 

 

Gestern war zu hören, dass seine Sorge den liberalen Grundwerten in unserem Land gehört, die durch rechte, rechtsextreme Strömungen, Flüchtlingsfeindschaft, AfD, Leuten wie Höcke in Gefahr gerate. Dagegen bräuchte es ein Mitte-Links-Bündnis. Das sei etwas anderes als Koalitionsspiele. 

 

Das wirkt hilflos. Gabriels Botschaft war eindeutig. Offenbar zu eindeutig in seinen Augen. Die öffentlichen Reaktionen in SPD und Linkspartei zeigen, dass beide Parteien ihn gut verstanden haben. 

 

Die Grünen hingegen haben es klug verstanden, sich nicht von Gabriel einvernehmen zu lassen. Sie seien nicht Bestandteil irgendwelcher Lager, sondern ihr eigenes, grünes Lager. Das waren sie sich schuldig. Sie bewahren sich ihre Eigenständigkeit; und damit die Option auf eine Machtbeteiligung auch unter Merkel. Dass die Grünen ein Bollwerk gegen die Machtbeteiligung der LINKSPartei auf Bundesebene seien, wäre hingegen blanke Illusion. 

 

Mit der AfD und den Attacken auf Flüchtlinge, hinter denen nicht selten NPD-Aktivisten stecken, zeigt etwas anderes. Wir leben in Deutschland nicht auf einer Insel der Seligen, sondern werden auch von den europäischen, bzw. westlichen Phänomenen des Rechtspopulismus erfasst. Diese Strömungen gibt es schon lange. Das sind Kräfte, die ganz bewusst auf politische Vernunft und Nachhaltigkeit verzichten, um ihrer eigenen politischen Kraft willen. Sie reden sich und die Bevölkerung besoffen, setzen auf Stimmungen, schalten den Verstand aus, und geben sich Illusionen hin. Sie sind eine Gefahr für den sozialen Frieden und den Wohlstand im Lande. Andererseits sind sie eine Reaktion auf die anhaltende Modernisierung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft, die leider auch Verlierer schafft. Von den daraus entstehenden Ängsten leben sie. 

 

Solche Ängste sind ernst zu nehmen und entsprechend politisch zu beantworten. Gabriels Reaktion ist eher die der Angst vor der Angst. Das ist auch insofern unverständlich, als die SPD selber aus guten Gründen Schrittmacher der Modernisierung in Deutschland war. Die Agenda 2010 und die Arbeitsmarktreformen haben die Wirtschaft Deutschlands wieder in Gang gebracht, die Arbeitslosigkeit gesenkt und den Staat wieder handlungsfähig gemacht. Aber sie waren auch der Anlass für eine gewaltige und große Angstkampagne in unserem Land, die in der Westausdehnung der Linkspartei gipfelte. Und die SPD muss sich vorhalten lassen, die sozialen Folgen ihrer eigenen Modernisierung - das Auseinanderdriften von Arm und Reich und die Nichtbeteiligung breiter Schichten am volkswirtschafltichen Aufschwung - fast schon ignoriert zu haben. 

 

Hinzu kommt aber in unserer heutigen Lage noch etwas anderes. 

 

Wir reden immer über die AfD. Doch die ersten Attacken gegen die Flüchtlinge wurden von NPD-Leuten betrieben. Sie haben letztlich damit eine latente Abwehrstimmung in der Bevölkerung aufgegriffen und zum Ausdruck gebracht und auf ihre Weise zu PEGIDA und AfD beigetragen. Und diese NPD - eine harte, kleine Kraft in unserem Lande - dürfte durch ein Verbot nicht einfach auszuschalten sein. Solch ein Denken und Handeln, wie es sich vor unseren Augen manifestiert ist auch eine Reaktion auf die Schwäche der Demokratie. Nicht der Umstand, dass es die NPD gibt, sondern der Umstand, dass sie sich so entfalten konnte. 

 

Und hier wird ein weiteres Versagen der Demokratie und auch der SPD deutlich. Sie hat zu wenig Orientierung hin zum notwendigen demokratischen Engagement in der Gesellschaft geliefert. Sie war hier kein Vorbild. Sie war nicht bei den Menschen, sie hat sie nicht erreicht, sie wurde nicht ernstgenommen. 

 

Da muss die SPD sich fragen, woran das lag und liegt. Wenn sie damit anfängt, kann sie sich selber wieder auf Wachstumskurs bringen. Doch das ist eine schwierige Übung, und das wird lange dauern. 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0