Der vierte Stand beim Brexit

Die Medien haben mitgestimmt beim Brexit. Was bedeutet das?

 

Boulevardblätter in Großbrittanien haben erheblichen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten ihrer Leser genommen. Besonders deutlich ist das in Städten wie Manchester geworden, wo Blätter wie „Daily News“ stark gelesen werden. Letztere hat geradezu Stimmung für einen Austritt aus der EU gemacht. Dabei kam es weniger auf Informationen als auf Emotionen an. Sie lenkten den Zorn über die Wirtschaftskrise, sozialen Abstieg und Zukunftssorgen einfach auf die EU um. Dabei spielte die wahre Urheberschaft dieser Symptome kaum eine Rolle: die konservative Politik der Torys. Sie haben hier Hochburgen.  

 

Es ist nicht so, dass sich alle Medien so verhalten hätten. Es gab gute und informative Analysen über das Pro und Contra der Abstimmung. Und es gab Zeitungen, die die Nachteile eines Austritts klar herausgestellt haben. Doch in Städten wie Manchester werden sie nicht gelesen.

 

Normalerweise dienen Medien der Information. Im Falle der „Daily News“ sind es eher Manipulationen. Dabei handelt es sich hier nicht um Fehlfunktionen der Medien, sondern um ihre Marktorientierung. Da nur die Auflagenhöhe interessiert, wird der Zeitungsinhalt Mittel zum Zweck. Die Zeitungen bedienen sich der Stimmungen ihrer Leser und nähren sie. Sie nutzen, um es mit Kant zu sagen, die „selbstverschuldete“ Unmündigkeit ihrer Leser aus. Sie klären nicht auf. Sie erklären nicht.

 

Wer Politik machen will unter solchen Bedingungen muß sich fragen, wie damit umzugehen ist.

 

Entweder man macht sich solche Boulevardblätter zum Partner. Oder man schafft selber welche. Auf jeden Fall muß man die Auseinandersetzung mit diesen Stimmungen suchen, und zwar vor Ort. Und dann muß man schauen, wie man die eigenen Argumente, wenn sie denn stechen, in die betreffende Region hineintragen kann. Dafür bieten sich verschiedene Instrumente an, kurzfristig und langfristig wirkende: Demos, Aktionen, events, soziale Medien, also Campaigning.

 

Wenn man langfristig daran geht, muß man auf die guten alten Erfahrungen parteilicher Organisationsarbeit zurückgreifen, nach der Devise des alten Wehner: Politik ist Organisation, Organisation, Organisation.

 

Das alles scheint nicht geschehen zu sein. Der Vorwurf, dass die Antibrexit-Kampagne schlecht organisiert gewesen sei, wird wohl stimmen. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0