Mißverständnis beim Gleichnis von den anvertrauten Talenten

Das Himmelreich ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten.

 

Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.

Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen.

 

Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!

 

Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!

 

Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.

 

Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.

 

Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.

 

Matthäus-Evangelium

 

Sogar in Wikepedia wird dieses Gleichnis auf die menschlichen Gaben bezogen, auf die besonderen Fähigkeiten, die jeder bei sich entdecken kann, und die es zu entfalten gelte. So hat, so habe ich es insbesondere in meiner protestantischen Konfession erfahren, der persönliche Ehrgeiz eine religiöse Komponente erhalten. 

 

Doch als ich gestern darüber nachdachte, stellte ich fest, dass dieses Gleichnis auch eines der Paradiesgleichnisse ist. Das heißt, Jesus benutzt diese Geschichte um seinen Jüngern zu erläutern, was es mit dem Paradies auf sich habe.

 

Das ist etwas anderes als das eigene Leben.

 

Wer ins Paradies kommen will, so sagt Jesus hier, solle seine anvertrauten Talente dafür benutzen. Das läßt sich nur in Verbindung mit den anderen Paradiesgleichnissen richtig verstehen; also dem Gleichnis vom Sähmann, das Gleichnis vom Nadelöhr, der Hochzeit zu Kannaa, dem Barmherzigen Samariter usw. . Das neue Testament ist voll von diesen Gleichnissen, sie sind in unsere Kulturgeschichte eingegangen. Selbst die Nichtchristen kennen in der Regel einige diese Gleichnisse.

 

Sie sind schwer zu verstehen. Paradies ist den meisten eine reine Glaubensangelegenheit. Da ist auch was dran. Und trotzdem kann man an diesen Gleichnissen auch versuchen etwas  zu erkennen. Jesus benutzt diese Geschichten um seine Botschaft vom Paradies zu verdeutlichen.

 

 

Das ist der Schlüssel. Wenn man z.B. das Gleichnis von den verlorenen Talenten im Zusammenhang mit dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter sieht, so wird deutlich was Jesus gemeint haben wird. Mit Talent ist in diesem Zusammenhang die Fähigkeit der Empathie, des Mitgefühls und der Barmherzigkeit gemeint. Fühlen kann das jeder. Diesem Gefühl zu folgen ist Sache seines eigenen Entschlusses. Das Mitgefühl selbst ist also das anvertraute Talent. Die daraus entstehende Hilfe ist seine Verfielfachung. Und genau das ist auch das Paradies. 

 

So gesehen macht das Gleichnis Sinn.

 

Das werden auch viele so verstanden haben. Denn daraus ist ja das Bild der barmherzigen Kirche, der barmherzigen Christen entstanden. 

 

 

Aber nicht jeder hat das so verstanden. Und dann kam der Ansporn zum Ehrgeiz dabei heraus. Mit der Befriedigung des Ehrgeizes versucht der Mensch sich zu erhöhen. Nichts weniger dürfte Jesus gemeint haben. Denn das ist nun wirklich nicht das Paradies, sondern mehr die Hölle. 

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